Der Schwabe liebt es Richtungsangaben aller Art sehr präzise und plastisch auszudrücken und hat sich
deshalb eine Vielzahl ganz prägnanter Worte und Ausdrücke geschaffen.
Alle schwäbische Richtungsangaben (auch zum Anhören) finden Sie auf einer eigenen Seite.
Interessant ist zum Beispiel die feine Unterscheidung zwischen Richtungsangaben auf den Sprecher zu
oder von ihm weg und solchen, die der Sprecher selbst durchführt.
Wenn man niebr geht, dann geht man zu jemand hinüber. 'I gang gschwind zom Paule niebr'. sagt der
schwäbische Ehemann, der seinen Freund Paul auf ein Bier besuchen möchte. Die Aussage 'Heut Abend kommt mei
Muddr zom Nachdessa riebr', verdirbt dagegen manchem müden Familienvater die Aussicht auf ein gemütliches
Bier vorm Fernseher.
Apropos: Würde man sagen, 'Dr Paule isch hinieber', dann müsste man den schwarzen Anzug auslüften und
könnte sich auf eine Beerdigung vorbereiten.
'Wisawih vo dr'Boschd isch grad a Bauschdell, da missad se also anderschrom fahra', wird es ein Schwabe
ausdrücken, wenn er Sie darauf hinweist, dass direkt gegenüber dem Postamt derzeit eine Baustelle ist und Sie
also gezwungen sind, einen anderen Weg zum Ziel zu suchen.
Ist die Baustelle bereits zu sehen und ganz in der Nähe, dann ist diese 'Do drieba', wäre Sie etwas
weiter weg, dann wäre sie 'Do domma'.
Mit der drohenden Aufforderung 'Komm fei sofort do rondr' wird ein fremdes Kind aus dem eigenen
Kirschenbaum gescheucht, also zum Standortwechsel von oben herunter zum Betrachter gezwungen.
Ruft jedoch ein Vater erbost 'Glei komme fei nondr' aus dem Fenster, dann droht er seine Anwesenheit den
Kindern im tiefer liegenden Hof (also dronda) an. Und wenn ein Schwabe einen Satz mit 'glei'
beginnt, dann sollte man das Ernst nehmen!
Am Bodensee oder in Oberschwaben 'Fährt mr eisserschd ogern nach Schduagerd nuff', hat man doch
(teilweise historisch bedingte) Vorbehalte gegen 'Dia Grosskobbfade do doba'. Dabei gibt es in Stuttgart
fast keine echten Stuttgarter mehr, weil mir ja jetzt alle Global Player sind.
Wenn Sie zum Betreten eines schwäbischen Hauses aufgefordert werden, dann geschieht dies meist mit den Worten
'Kommad Se no ruff, Sia schdörad iberhaubd nedd', was sich dadurch erklärt, dass ein Hausbesitzer fast immer
im ersten Stock seines Hauses wohnt. (Weil man da am wenigsten heizen muss, die Wohnung wird ja von den
Mietern darüber (driabr) und darunter (dronda) ganz gut mitgeheizt).
'Do henda hend'se heut zerschdmol gheiad' ist die für Nichtschwaben unaussprechliche Aussage, dass auf der
Wiese dort drüben heute mit der Heuernte begonnen wurde.
'Do henda muasse meine Hendschich vrlora hann', meint dagegen, dass irgendwo da hinten mein Besitz einen
empfindlichen Verlust erlitten hat.
Der schwäbische Ausdruck für vorne im Sinne von vorne dran ist 'vorna danna'. Aber manch einer, der
mal 'vorna danna' war, ist auch schnell 'widdr weg vom Fenschdr', also quasi 'henda'.
'Ra' ist nicht nur der ägyptische Sonnengott, sondern auch die schwäbische Bezeichnung für herunter. 'Ra vom Poschdamendle' mahnt man daher den Politiker, der jegliche Bodenhaftung verloren hat.
Leider sind viele Politiker so weit oben, dass dieser Ruf verhallt.
'Em ra' sagte der Vater zu seinem Sohn, der bei der Arbeit im Weinberg bemerkt hat, dass ein Nachbar seine
Hacke vergessen hat und meint damit: Lieber Sohn, wenn unsere Arbeit erledigt ist und die Hacke dann immer noch
unbemerkt herumliegt, dann sollten wir intensiv und rasch über einen Besitzerwechsel nachdenken...
Vorne meint auch den Richtungswechsel im Sinne von nach vorne kommen, so die Aufforderung des stolzen
Hundebesitzers an seinen Hund 'Ja gosch du glei dohenda firre'. -Damit ist gemeint: 'Wenn du blöder Hund dich weiterhin in dieser Pfütze wälzt, dann gibt es Futter-Entzug'.
Für alle Richtungen kennt der Schwabe auch so etwas wie eine Verlaufsform, die in einem Wort eine Abfolge von
Tätigkeiten ausdrückt:
nauszuas, also auf dem Weg hinaus,
raazuas, also auf dem Weg herunter,
neizuas, also auf dem Weg hinein,
romzuas, also auf dem Weg zu einem herüber,
nieberzuas, also auf dem Weg auf jemanden zu,
naazuas, also auf dem Weg hinunter, odernuffzuas, also auf dem Weg hinauf.
'Do henna isch aber saumässig hois', sagt ein Schwabe beim Betreten eines gut geheizten Zimmers und mahnt
damit den übermäßigen Hitzestau im Inneren eines Hauses an. Vor dem Betreten des Zimmers hätte er, beim
gleichem Kenntnisstand, gesagt: 'Do drenna isch aber goddsmillionisch hoiss'.
Anders im Winter wo man behaglich am Fenster stehend in die Kälte schaut und denkt 'Dussa siahds arschkald
aus', bis man selber vor die Tür gehen muss und denkt, 'Hussa isch doch nedd so saukald, wie e denkd hann'.
Noch weiter drinnen kennt sich der Schwabe auch aus und sagt 'Wia's enna drenna aussieht gohd koin was
a'.
Damit will er ausdrücken, dass sich die innersten Werte eines Menschen schlecht einsehen lassen oder anders
ausgedrückt:
'Mr siehd hald blos drano ond nedd drannei'.
Gewundene Gedankengänge, die bei der zu Querdenkerei neigenden schwäbischen Grundhaltung an der Tagesordnung
sind, bezeichnet man sehr treffend als hindersche firre denka.
Auch in der Höhe unterscheidet man sprachlich sehr fein.
'Do oba hängat no a paar grauchte Forella, am beschda send dia ganz oba doba'. Wir haben oben in der
Räucherkammer noch ein paar schöne Forellen, geschmacklich am besten sind diejenigen, die ganz oben hängen.
Den Urlaub verbringt mancher Schwabe onda in Idalie, und achtet sorgfältig darauf Mitbringsel
(Schmuggelgut !) im Kofferraum ganz onda na zu do, damit der aufmerksame Zöllner nicht gleich über
Rotwein und Parmaschinken stolpert.
Auch eher wage räumliche Angaben sind problemlos möglich. 'Dohannrom isch no nia was wegkomma',
versichert jeder Wohnungsbesitzer seinem neuen Mieter. Vorsicht, diese Aussage bezieht sich unter Umständen nur
auf den einen Quadratmeter rund um die Mülltonne!
'Gang one em Schadda, dass d'Sonn de nedd schdichd', pflegen genervte Mütter zu ihren quengelnden Kinder
zu sagen und hoffen damit auf ein Entfernen der kindlichen Lärmquelle in beliebiger Richtung.
Fragen Sie einen Schwaben nach dem Weg zum Rathaus, und er sagt, 'Des isch glei do danna', dann ist
wirklich nicht mehr sehr weit. Sagt er jedoch, 'Do miassad se dannawärts ganga', dann kann es sich auch
noch einige Zeit hinziehen ...
Mit einem mittelständischen Betrieb, der in den roten Zahlen ist, gohds abersche (also abwärts), und wenn
der traurige Inhaber seine Bilanzen liest, dann hauds'en ärschlengs, weil es mit seinem Betrieb eben
nicht firsche (also vorwärts) geht.
'Wo no soll des no fihra', sagt sich ein Schwabe in solch prekärer Situation.
Zum Schluss noch ein paar Worte zu 'naa' (herunter, hinab) und 'noo' im Sinne von hinwärts oder
hin. (Die korrekte Aussprache sollten sie uns Schwaben überlassen)
So bedeutet noolanga (zufassen) etwas anderes als naalanga (hinunterfassen) und wenn meine Frau zu mir sagt 'Gang middam Hond na', dann gang i midd am Hond zur ra Wies no, damit dr Hond nosoicha ko.'
Danach 'mach i nore', also ich beeile mich, um wieder ins Haus zu kommen.
Zu diesem Thema schrieb mir ein Leser aus Biberach:
Der Oberschwabe, zumindest der aus Biberach, fährt, wenn er ein Ausflügle macht an da See nauf keine
Frage, welches Gewässer gemeint ist.
Aber wieso nauf? Besagter See liegt ja von den Höhenmetern her viel tiefer als die Herzpunkte
Oberschwabens. Uff (Auf!) Schdueget fährt man naa, uff Ulm au, während man sich uff Frankfurt,
Berlin oder Hamburg wieder nauf begibt.
In die allernächsten Ortschaften, die also, aus denen der urbane Oberschwabe stammt, oder in denen er
Verwandtschaft hat, fährt er naus. Naus ist das Begeben in etwas Vertrautes, so wie im Gegenzug die
Verwandtschaft vom Land
en d`Schdadt nei fährt.
In teilvertraute Orte des Nahbereichs, in die man zwar nicht so oft kommt, denen man aber durchaus das Prädikat
Heimat im weiteren Sinne zuspricht, fährt man nomm. An Orte, die früher nicht ohne weiteres erreichbar
waren, weil hinter Wäldern oder zwischen Bergen oder halt sonst em Ogrecheta gelegen, erreicht man, indem
man
hendere fährt.
Naus, nomm und hendere sind also die Erreichbarkeitsmerkmale für vertrautere und sympathische Orte, während
nei relativ wertneutral ist. Uff Mencha fährt man nei, auch in die Schweiz oder uff
Eschdreich, während man jedoch in den Bregenzerwald wieder henderefährt.
Das naa ist eine eher unpopuläre Hinwendungsangabe, hintergründig lässt der Oberschwabe da ein
gestörtes Verhältnis zu den Menschen durchblicken, die da wohnen, wo naa ist, nämlich donda.
Warum fährt man sonst zu Orten, die weiter weg sind, als der Ort zu dem man naa fährt, wieder nauf
- obwohl es eigentlich doch immer naa geht?